Seit Wochen weiß ich nun, dass Sebo nicht mehr lebt. Und genau so lange sitze ich an diesen Zeilen. Seit Wochen bin ich auf der Suche nach irgendetwas, woran ich mich festhalten kann. Etwas, dass mir hilft, - uns allen irgendwie helfen könnte...was geschehen ist, in irgendeiner Form zu erklären. Irgendeinen klugen Spruch, ein Lied, ein Text, hübsch verpackt, dann ein Schleifchen drum und ab dafür. Eine Antwort. Ein Bild, dass zeigt, was war. Was ist. - Aber: Nichts passiert. Ich falle nur immer und immer wieder ins Leere, in diese Unausweichlichkeit. Worte bleiben aus und alles was bleibt, ist dieses endlose Vakuum in Kopf & Herz & so unendlich viel Fassungslosigkeit.
HERZLICH WILLKOMMEN IN DER REALITÄT!
Und so sitze ich hier, denke an Euch, an seinen Bruder Marian. Denke daran, dass ich wieder einmal viel zu wenig weiß und nun auch nicht mehr fragen kann. Ich denke an Sebo, wie er war, wie ich ihn kannte und an das letzte Treffen am 2.Februar. Ich hatte Nana und Sebo zufällig oben bei den Containern in Mainz getroffen. Er sah furchterregend aus mit seinem blauem Auge. Er erzählte, dass in der Nacht zuvor ein Fremder am HBF auf ihn los gegangen sei und er keine Ahnung hätte, wie es dazu gekommen sei. Wir unterhielten uns lange über Dies & Das und auch über Sebo's gesundheitlichen Zustand allgemein. Er litt an einer chronischen Bauspeicheldrüsenentzündung und Diabetes. Beides Krankheiten, die ihn schon x-mal ins Krankenhaus gebracht hatten. Zusammen mit dem Alkohol und unregelmässiger Ernährung keine wirklich gute Kombination. Er wusste, dass er dringend etwas ändern müsste.
Danach fuhr ich die beiden zusammen mit ihren 3 Hunden & dem ganzen Gespäck hinunter in die Stadt. Eigentlich wollte ich mit ihnen etwas essen, aber Sebo meinte: "Ne, wir gehen jetzt schnorren..." Schade, ich hätte wirklich gerne noch mehr Zeit mit den beiden verbracht.
...und Sebo? Sebo, der es wie kaum ein anderer verstanden hat, sein sensibles und verletzliches Wesen zu verbergen. Ein Meister der Selbstzerstörung, des Chaos' und der Wut. Er überschritt in einem fort Grenzen, kam wieder zu sich, rappelte sich auf und erholte sich, um im nächsten Moment wieder alles über den Haufen zu werfen. In ihm tobte ein Orkan aus Selbsthass, Hilflosigkeit und Verzweiflung und jeder, der sich ihm näherte, lief Gefahr, unmittelbar mit hinein gezogen zu werden in diesen Sog.
Aber natürlich gab es nicht ausschliesslich nur dunkle Flecken in Sebo's Persönlichkeit. Wenn Sebo lächelte, dann war das ein warmes, herzliches und freundliches Lächeln. Und wenn Sebo sich wohlfühlte, dann war die Welt für alle in Ordnung. Er kämpfte eigentlich permanent gegen diese dunkeln Schatten und darum fiel es immer sehr stark auf, wenn es ihm gut ging. Ich erinnere mich immer gerne an einen Tag im Sommer 2011. Er war gerade aus der Haft entlassen und komplett drogenfrei. Stolz erzählte er mir, wie gesund er sich von jetzt an ernähren wollte und dass es ihm ja ohne Alkohol so viel besser ging.
Sebo verstarb in der Nacht vom 16. auf den 17.Mai 2013 in einer Bahnhofstoilette in Mainz an einer Überdosis Heroin und wurde in Stieghorster Friedhof in Bielefeld begraben.